Übersetzungsalgorithmen erschaffen neues Geschlecht
Artikelübersicht
Im Februar 2021 passierte es in Nordrhein-Westfalen und im September in Niedersachsen. Freunde der Unterwasserwelt mussten nicht mehr zwischen männlich oder weiblich wählen. Stattdessen waren die Optionsfelder für das Geschlecht „männlich“, „weiblich“, „Taucher“.
Zu diesem Sachverhalt berichteten Viele. Einige amüsierten sich darüber, andere verstanden nicht den Zusammenhang zwischen Taucher und Geschlecht und wieder andere fragten sich, wie es dazu gekommen war.
Was ist passiert, wo und wann?
Zunächst einmal wo ist das passiert? Im Februar 2021 geschah es in Nordrhein-Westfalen bei einer Anmeldung zur Coronaimpfung und im September geschah es in Niedersachsen bei einer Umfrage zur Veloroute, einer innerstädtischen Radrundfahrt.
Was ist passiert? Es gab einen Fehler, sodass die Optionsfelder für das Geschlecht männlich, weiblich und Taucher waren. Da es keine fehlerfreien Systeme gibt, ist es nicht verwunderlich, dass Webseiten Fehler aufweisen.
Aber warum?
Warum wurde Taucher als Geschlecht angegeben? Die Bezeichnung für das Geschlecht divers, wurde fehlerhaft in Taucher übersetzt. Da Taucher auf Englisch im Plural divers heißt.
Jetzt beginnt es interessant zu werden. Denn nun stellt sich die Frage, warum die Webseiten einer deutschen Körperschaft und einer deutschen Stadt vom Englischen ins Deutsche übersetzt wurden. Und das ist nun eine Frage, die nicht mehr so leicht beantwortet werden kann. Schließlich haben wir keine Informationen darüber, wie diese Seiten erstellt wurden. Zum Glück können wir Leute fragen, die es wissen. Christopher Schneider, der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrheins (KVNR) sagte dazu in tz.de:
"In einigen Bereichen unseres Buchungsportals gibt es tatsächlich sprachliche Abwegigkeiten, die auf Übersetzungsfehler einzelner Browser zurückzuführen waren."
Es ist also ein Fehler der Browser?
"Er erklärt auch wie es zu sprachlichen Auffälligkeiten gekommen sein könnte: "Hintergrund für die fälschlichen Übersetzungen waren technische Gründe – hier: automatische Übersetzungen bestimmter Browser der User. Die Unwuchten werden im Rahmen der regelmäßigen Pflege des Portals abgestellt." Möglicherweise ist der Fehler also schlichtweg bereits behoben."
Dies ist keine zufriedenstellende Antwort.
- Wenn die Verantwortung bei den Browsern liegt, warum sehen wir derartige Fehler nicht öfter?
- Wenn der Fehler browserseitig war, wie kann er dann bei der regelmäßigen Pflege des Portals beseitigt werden? Und wie sieht der Fehler denn genau aus? "technische Gründe – hier: automatische Übersetzung" mag den meisten Menschen als Antwort genügen, aber als Tester möchte man genauer wissen, wie der Fehler aussieht.
Antworten aus Testersicht
Leider findet man in den meisten Artikeln zu dem Übersetzungsfehler keine genaueren Informationen. Allerdings ist der Fehler auch in Niedersachsen aufgetreten. Dort gab es eine Umfrage zur Veloroute. Als Geschlecht war dort ebenfalls Taucher wählbar. Und in den Leine-Nachrichten lesen wir dazu:
"Tatsächlich habe es schon mehrere Nachfragen im Rathaus gegeben, bestätigte Stadtsprecher Bastian Wegener am Mittwoch. Des Rätsels Lösung, warum Internetnutzern ein vermurkster Fragebogen mit abenteuerlichen Formulierungen angezeigt wird, sei technischer Natur, genauer gesagt: ein Übersetzungsfehler. Beim Erstellen der Umfrage sei vergessen worden, diese als in deutscher Sprache verfasst zu kennzeichnen. Tatsächlich steht im Quelltext der Seite ein verräterisches en statt de. Wer die Umfrage in seinem Browser aufruft und die aufploppenden Frage "Möchten Sie diese Seite übersetzen" mit Ja beantwortet, erhält eine Übersetzung des vermeintlich englischen Textes ins Deutsche.
Wegener scheint dieser Frage gewissenhaft nachgegangen zu sein und liefert hier eine exzellente Antwort. Die Browser wollen einen deutschen Text übersetzen, weil der Quelltext den Browsern "sagt", er sei auf englisch verfasst. Der Fehler ist nicht immer zu finden, weil manche Nutzer die Frage "Möchten sie diese Seite übersetzen" mit "Nein" beantworten. Und es ist deutlich glaubhafter, dass aus Versehen ein "en" anstelle des "de" im Quelltext landet, als dass die automatische Übersetzung von Browsern Fließtexte einer falschen Sprache zuordnet.
Außerdem ist es dann nachvollziehbar, dass man, wie die KVNR, bei eiligen Nachforschungen zu dem Entschluss kommt, die Übersetzung der Browser sei verantwortlich. Das erklärt darüber hinaus andere Übersetzungsfehler in der Umfrage. So wurde statt "Die Veloroute" teilweise "Tod Veloroute" oder "sterben" geschrieben, statt "Alter" stand ändern und statt "75+" stand "15m" im Text.
Fazit des Testmanagements
Der Fehler: Zwei falsche Buchstaben im Quelltext, so etwas kommt vor. Errare Humanum Est. Wir Tester suchen hartnäckig nach Fehlern. Wir belasten Software, bis sie scheitert. Das wirkt mitunter kalt und destruktiv. Aber wenn wir es nicht tun, stehen die Fehler nicht für falsche oder fehlende Zeichen im Quelltext, sondern darüber hinaus für die Konsequenzen des Fehlers und das sind mitunter schwerwiegende Konsequenzen. Das Mantra der Tester heißt deshalb:
"Sei aggressiv zu der Software und nicht zu den Menschen.
Warum aber übersetzten Browser "75+" auf "15m"?
Nun irgendwann wird die Ursachenforschung unrentabel und man muss sich mit dem was man hat, zufrieden geben. Aber wenn ihr Ideen habt, schreibt uns auf Twitter.
Vom Übersetzen – nichtsprachlichr Informationen übertragen – VUITest
Bildquellen
- Übersetzen mit zwei Augen: Pixabay
- Forscherin sieht durch eine Lupe: marin | CC BY 2.0 Generic